
Wenn die Schokolade keimt,
Wenn nach langem Druck bei Dichterlingen
"Glockenklingen" sich auf "Lenzesschwingen"
Endlich reimt
Und der Osterhase hinten auch schon presst,
Dann kommt bald das Osterfest.
Schon der Eröffnungsstrophe seines „Ostergedichts“ unterlegt Joachim Ringelnatz mit einem witzigen Unterton. Es als „schönes Ostergedicht für Kinder“ anzupreisen, wie ich dies im Internet kürzlich gesehen habe, scheint davon aber nichts zu verstehen, sondern zeugt nur von Dummheit. Vielmehr muss man über die Leichtigkeit des Satirikers – sofern man nicht empört ist – lachen, oder auch weinen. Auf alle Fälle reduziert er Ostern auf ein Fest der Brunsttriebe, die der Mensch mit dem Tier teilt. So geht das Gedicht in der zweiten Strophe weiter:
Und wenn wirklich dann mit Glockenklingen,
Ostern naht auf Lenzesschwingen, -
Dann mit jenen Dichterlingen
Und mit deren jugendlichen Bräuten
Draussen schwelgen mit berauschten Händen -
Ach, das denk ich mir entsetzlich,
Ausserdem - unter Umständen –
Ungesetzlich.
Die Freude am frühlingshaft-tierischen Kopulieren, die schon das Wort Osterhase anklingen liess, wird hier explizit, auch wenn es mit dem Wort „entsetztlich“ kaschiert wird. So will es die Ironie. Und liest man die dritte Strophe, von den Eiern und der Lust, die Hennen zu küssen, lässt es einem unmittelbar zurück an die erste Strophe denken: ob da wohl von Eier legenden Hasen die Rede war:
Aber morgens auf dem Frühstückstische
Fünf, sechs, sieben flaumweich gelbe, frische
Eier. Und dann ganz hineingekniet!
Ha! Da spürt man, wie die Frühlingswärme
Durch geheime Gänge und Gedärme
In die Zukunft zieht
Und wie dankbar wir für solchen Segen
Sein müssen.
Ach, ich könnte alle Hennen küssen,
Die so langgezogene Kugeln legen.
Abermals formuliert Ringelnatz geradezu witzig die Selbstgenügsamkeit des Menschen. Schliesslich hat „man“ nichts anderes im Sinn, als gutes Essen und ein wenig Liebe machen – alles in heiterer Frühlingslaune. Der Wechsel in ein explizites lyrisches Ich im letzten Satz unterstreicht zudem, dass auch viele Dichter zu „Dichterlingen“ verkommen sind. Auch ihre Verse atmen keinen anderen Geist. Nimmt sich Ringelnatz selbst auf die Schippe?
Doch Ostern ist nicht so sehr ein Frühlingsfest. Weder Osterei noch Osterhase, sondern das Osterlamm wird in der Liturgie gefeiert. Witz und Ironie, Satire und Augenzwinkern haben da keinen Platz. Vielmehr Ernst und Mitleiden, Freude und Zuversicht, erstauntes Danken und Lachen. Denn an Ostern werden nicht die neu geweckten Lebensgeister gefeiert, nicht das spriessende Leben nach der grauen Winterzeit. Vielmehr wird das beinahe Unmögliche gefeiert: Die Tragödie des Lebens hat sich in ein Drama mit Zukunftshoffnung gewandelt. Weder die naturzerstörerische Kraft des Menschen, die einen apokalyptische Weltbilder an den Horizont malt, noch der Wahnsinn eines Diktators hat das letzte Wort. Die Logik der Ausbeutung wie auch die Logik der Unterwerfung, Gewalt und Macht werden letztlich nicht an ihr Ziel kommen. Wie kommt’s?
Der Mann aus Nazareth hat vorgelebt, dass ein Leben möglich ist, ohne sich bedroht zu fühlen, wenn es anderen gut geht. Selbstbewusstsein muss nicht durch toxische Männlichkeit geschaffen werden. Sie entsteht aus einem Leben, das der eigenen Berufung treu bleibt, auch angesichts von Widerständen. Eigene Schwachheit und Niederlage muss nicht dadurch erträglich gemacht werden, dass auch Andere in den Abgrund gezogen werden. Den Teufelskreis von Rivalität und Selbstbehauptung hat Jesus durchbrochen, in dem er auf Aggression mit gewaltlosem Widerstand geantwortet hat. Er hat die Gewalt mit der Kraft der Hingabe subtil unterlaufen. Auch wenn er damit in der allzu menschlichen Justiz von Juden zerrieben wurde und die römische Folterart der Kreuzigung ihn zu Tode gestreckt hat, so zeugen doch die Evangelientexte davon, dass er lebt. Auf geheimnisvolle Weise hat Gott ihn von den Toten erweckt, gerade so, wie er aus dem Nichts auch das Universum mit all seinem Leben geschaffen hat.
Auch wenn mit allen Kräften für die Bewahrung der Schöpfung gekämpft werden muss und auch wenn es notwendig ist, das Leben gegenüber einem Diktator auch mit Gewalt zu verteidigen, darf die Wahrheit der Osterbotschaft nicht verschwiegen werden. Jedes Jahr an Ostern wird die versöhnende Kraft Gottes, die die Opfer der Geschichte rehabilitiert, neue gefeiert. Jeden Sonntag wenn Eucharistie gefeiert wird, danken Christen und Christinnen, dass Leben nach einer Logik jenseits der Selbstbehauptung möglich ist. Die Erinnerung schenkt Kraft und hilft in Würde auch unwürdige Situationen zu meistern. Die zweite Strophe von Heinz Kattners Ostergedicht mit dem Titel „Lange danach“ über den Auferstandenen lautet:
Aber die Lichtgestalt im Wort
berührt Herzen seither
leuchtet ein Angesicht über
dem täglichen Sterben
Keine Ironie, sondern im besten Sinne trostvoller Ernst. Hoffnung, um die immer wieder neu gerungen werden muss. Denn mit rein menschlichen Kategorien kann nicht erfasst werden, was Auferstehung bedeutet. Es ist ein Geschehen jenseits von Raum und Zeit, das jeden Augenblick und überall in diese Wirklichkeit hineinragt, freilich nur für jene, die es erfassen vermögen. So wird diese mittler Strophe auch von einer Vor- und einer Nachstrophe gerahmt, die lauten.
Was zu sehen war ist
schnell gesagt unglaublich
kurzer Bericht ein leeres Grab
weiter nichts im Geschichtsbuch
…………
Nur wer von Fall zu Fall
Thomas heisst legt seine
zweifelnden Hände
wieder und wieder in Wunden
Angesichts des fast unerträglichen Leidens und der schrecklichen Abgründe menschlichen Handelns, die der Krieg in der Ukraine fast täglich neu vor Augen führt, will Ostern seine Kraft entfalten. Ostern als Frühlingsfest bliebe dabei an der Oberfläche. Ein Frühlingsfest mag die Tragödie des Menschen nicht zu erfassen. Selbstverliebte Ironie wird sogar zynisch. In diesem Jahr taugt nur wahrhafte Osterlyrik. Im Gedenken der Liturgie, will Jesu Hinrichtung neu in Wort und Gebärde gebracht werden. Seine Standhaftigkeit, genährt aus seiner innigen Beziehung mit Gott, den er Vater genannt hat, und das Staunen über Gottes Versöhnungskraft, die stärker ist als der Tod, brauchen Liturgie, damit sie ihre Kraft entfalten können. Hoffnung und Freude entsteht aus dem gemeinsamen Erinnerung und Feiern. Es fasse sie, wer sie fassen kann.
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